Fribourg repariert seine preiswerte Öko-Bahn
Die Bewohner des schweizerischen Fribourg sind stolz auf Ihr "Stinkebähnle", das wie sie sagen,sparsamste und umweltfreundlichste Verkehrsmittel der Welt.
Das Schienenfahrzeug verbindet die Ober- und die Unterstadt im Fünf-Minuten-Takt und wird
von Abwässern an angetrieben. In der oberen Station nimmt die Bahn drei Kubikmeter Abwasser aus einem großen Vorratsbehälter auf.
Der Ballast drückt sie zur 58 Meter tiefer gelegenen Talstation. Über ein Seil und eine Umlenkrolle ist der Shutle mit einer zweiten Kabine verbunden, die von ihm nach oben gezogen wird. Unten angekommen, entläßt der Waggon seine Abwässer in die Kanalisation, während der obere Waggon frisch
aufgefüllt wird. Das System sollte nach einem Defekt verschrottet werden. Wegen ihrer konkurrenzlos
niedrigen Betriebskosten wurde die Anlage zu ihrem 100. Geburtstag repariert und steht bereit
noch einmal 25 Millionen Menschen zu transportieren - praktisch gratis. Quelle P.M. Schnell im Bild 10/98
Cable Car in Künzelsau
Die schwäbische Stadt freut sich über ein neues Verkehrsmittel Von Klaus Koch
Als wäre es das Siebte Weltwunder, bestaunt derzeit die Bevölkerung des unweit von Heilbronn gelegenen schwäbischen Kleinstädtchens Künzelsau ihr neues "Cable Car".
Die Bahn verbindet auf einer 1034 Meter langen Strecke eine für 4000 Bewohner angelegte Neubausiedlung mit der Innenstadt. Die Häuser liegen oberhalb des für die weitere Bebauung zu engen Kochertals.
Wintersportlern ist dieser Typ von Bahn längst bekannt. Sie zieht ihre Kabinen nicht über Hunderte von Metern hinweg freischwebend über Schluchten, sondern bringt sie in einer festen Spur per Kabel zu Berge. Neu ist, dass die Bevölkerung jetzt mit dieser Art von Bahn zum Einkaufen in den Supermarkt fährt.
Die zwei Waggons, die sich in der Mitte der Strecke an einer Ausweichstelle begegnen, fahren mit bis zu 29 Stundenkilometern Geschwindigkeit innerhalb von vier Minuten die Steilstrecke empor. Die Turbine befindet sich in der Bergstation.
Noch wird das "Cable Car", das in den örtlichen Fahrkartenverbund eingebunden ist, von Zugpersonal begleitet. Später soll die Bahn vollautomatisch laufen, überwacht von Videokameras. Das Sicherheitsrisiko ist - bei vier hintereinander geschalteten Bremssystemen - sehr gering.
Als 1991 die Idee aufkam, der Enge des Kochertals und einer fast nur im Schritttempo zu befahrenden Bundesstraße mit Hilfe einer Standseilbahn zu begegnen, wurde das zunächst fur einen
Scherz gehalten. Die Bevölkerung war sich bei einer 1996 abgehaltenen Volksabstimmung über das Vorhaben keineswegs einig. Nach unzähligen Versammlungen, bei denen Pro und Contra heftig
aufeinander prallten, stimmten knappe 51,2 Prozent für das 20-Millionen-Projekt. Heute zitiert Bürgermeister Volker Lenz mit Vorliebe Baden-Württembergs
Verkehrsminister Herrmann Schaufler: "Wenn wir damit die Leute nicht für den Öffentlichen Nahverkehr gewinnen können - womit denn dann?"
Um dem Vandalismus vorzubeugen, sollen Berg- und Talstation während eines Workshops von Jugendlichen mit dem im Raum Heilbronn ansässigen Comic-Zeichner Timo Würz jetzt außerdem
mit Graffiti verziert werden. "Das ist besser, als Heranwachsende verfolgen zu
müssen, die sich im Dunkel der Nacht mit Farbeimer und Spraydosen als Künstler an unserer Bahn versuchen", sagt Lenz.
Quelle: Süddeutsche Zeitung Seite 16, Nr. 238, Datum ?
Gletscherbahn auf der Schwäbischen Alb
Das Cable Car kommt:
Künzelsau setzt auf ein als antiquiert geltendes Nahverkehrssystem
Künzelsau ist nicht San Franzisko, nicht Hongkong und keine britische Kronkolonie. Trotzdem wird das idyllisch am Flüsschen Kocher gelegene 14 500-Einwohner-Städtchen demnächst etwas mit der kalifornischen Millionenmetropole und den südostasiatischen Finanzplätzen, aber auch manch alpiner Gletscherregion gemein haben: ein Nahverkehrssystem, von dem gemeinhin angenommen wird, es sei antiquiert oder allenfalls noch für touristische Zwecke geeignet.
Das "Cable Car", die aus San Franzisko bekannte Variante der Straßenbahn mit dem in ,,Unterpflasterhöhe" verlegten Zugseil, galt eigentlich längst als ,,out": Zu teuer, personalintensiv und zu schadensanfällig. Schließlich begab sich die Betriebsmannschaft in ,,Frisco" zeitweise nur noch mit Hammer und Brecheisen auf die Strecke, um das Stahlseil, wenn's mal wieder klemmte, schnellstmöglich wieder flottzumachen.
Anders in der Schweiz, aber auch an einigen wenigen touristischen Standorten in Baden-Württemberg, wo Fachleute Stein und Bein auf das Prinzip der Standseilbahn schwören, das bei ihnen die sprichwörtliche Zuverlässigkeit eines Uhrwerks erreicht.
Wintersportlern ist diese Variante des Nahverkehrs schon eher als Transportmittel in die luftigen Höhen von Eiger, Mönch und Jungfrau bekannt. In Künzelsau fährt die Bevölkerung damit jetzt zum Einkaufen in den Supermarkt. Dass ausgerechnet die Stadtväter des unweit von Heilbronn an der Kocher gelegenen Städtchens auf den Gedanken veffallen würden, sich ein solches Verkehrsmittel in Ergänzung zum bereits vorhandenen Verkehrsverbund zuzulegen, wirkt nur auf den ersten Blick erstaunlich.
Beim zweiten Hinschauen fällt auf, dass die Höhenunterschiede an den steilen Grabenabbrüchen längs der Alb beträchlich sind, un nicht umsonst in nur wenigen Kilometern Entfernung mit 185 Metern über den Boden immerhin die höchste Brücke Europas steht. Als Popstar Chris de Burgh kürzlich gefragt wurde, ob er sich aut sein Open-Air-Konzert aus Anlass des 900-jährigen Bestehens von Künzelsau freue, fragte er freilich erst noch einmal nach. ,,Klar, äh, wo ist denn das?"
Die Kreisstadt des Hohenloher Schlösser- und Burgenlandes ist immerhin Zentrum für ein Einzugsgebiet mit rund 100000 Einwohnern. Der Einfluss des Fränkischen ist nicht zu übersehen: Das 1522 erbaute Rathaus ist im Stil der Franken erbaut, hier stießen die Bistümer Mainz und Würzburg aneinander.
Das Residenzschloss derer von Hohenlohe wurde 1679 erbaut und zeugt von langen Zeiträumen gräflicher Hofhaltung. Heute gilt Künzelsau mit seinen günstigen Verkehrsanschlüssen als attraktiver Industriestandort. Etliche, nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Betriebe behaupten sich gut auf dem Weltmark.
Da galt es mit ungewöhnlichen Mitteln auf schnelle Abhilfee zu sinnen, als das im engen Kochertal eingezwängte Mittelzentrum mit seinen Ausweitungsplänen durch enge Grenzen plötzlich auf dem Schlauch stand.
Bislang quälten sich der Autoverkehr, Busse, Sattelschlepper wie auch Traktoren und Pkw im Einheitstempo die 200 Meter Höhenunterschied zum Anschluss an die Autobahn empor. Sollte nun zu der unzureichend ausgebauten Landesstraße eine weitere Asphaltstrecke hinzukommen, der Wald am malerischen Grabenbruch einem neuerlichen Zickzackkurs geopfert werden?
Als 1991 die Idee einer Standseilbahn aufkam, wurde das zunächst für einen guten Gag gehalten. Als die Pläne dann heranreiften, bestaunte die Öffentlichkeit das Projekt wie ein siebtes Weltwunder.
Um mit der "langen Leitung nicht Schiffbruch zu erleiden, begaben sich die Stadtväter auf Informationsfahrten, besichtigten in Zürich die Bahn auf den "Rigiblick", die jeweils automatisch alle sechs Minuten eine Berg- und Talabfahrt mit zwei Kabinen absolviert, die auf einer Ausweichstrecke in der Mitte aneinander vorbeigleiten.
Bürgerversammlungen wurden abgehalten, Pro und Kontra prallten aufeinander. 1996 kam es zur Volksabstimmung, die mit einem denkbar knappen Ergebnis für das immerhin 20 Millionen Mark teure Projekt endete: 51,2 Prozent stimmten für das ,,Cable Car"' 48,8 Prozent dagegen. Damit waren die Würfel für die 1034 Meter lange Strecke gefallen.
Jetzt wird es zwar kein ,,Peak Train" wie in Hongkong sein, das mühsam und mit Hilfe einer Schweizer Spezialfirma - die Höhen erklimmt, sondern gänzlich unprosaisch eine ,,Stadtbahn", die das erst vor wenigen Jahren in Angriff genommene Neubaugebiet Taläcker mit seinen derzeit 2500, demnächst vielleicht aber auch schon 4000 Einwohnern erschließt. Immerhin: Zwölf Millionen Mark schießt das Land Baden-Württemberg zu. Bürgermeister Volker Lenz zitiert mit Vorliebe Baden-Württembergs Verkehrsminister Herrmann Schauflert:
,,Wenn wir damit die Leute nicht für den ÖPNV gewinnen können", hat der beim Spatenstich gesagt,,,womit denn dann?" Die Schwebebahn in Wuppertal ist weit. Und dass irgendwann einmal das Stahlseil reißt und die Gondel ungebremst in die Tiefe rasen könnte, gilt als unwahrscheinlich.
Bislang bereitet eher das Problem Kummer, dass die neuartige elektrische Bremse den Zug so unmittelbar zum Stehen bringt, dass die Passagiere auch beim relativ geringen Tempo von 30 Stundenkilometern regelrecht durch die Kabine geschleudert würden.
Mit dem Generalunternehmer, der sonst nur Aufträge in dreistelliger Millionenhöhe goutiert und bei zögerlicher Finanzierung durch die öffentliche Hand bei Großprojekten schon mal die Vorfinanzierung anbietet, ist Lenz weniger zufrieden. Zu vieles musste mühsam eingefordert werden. Inzwischen sind auch die unerwarteten Schwierigkeiten durch die drohende Hangrutschung bewältigt, mussten allerdings auch einige Kilometer an Felsankern in den Untergrund geschossen werden, um auf Nummer Sicher zu gehen.
Bleibt eigentlich nur noch das Problem des Vandalismus. Weil die Bahn lediglich in den ersten Monaten mit Begleitpersonal betrieben wird, später aber jeweils vollautomatisch Kurs auf Berg und Tal nehmen soll geht die Sorge um, dass aus dem silbern glänzenden Chassis der hochmodernen Aluminium-Waggons schnell eine mobile Galerie für selbsternannte Graffiti-Künstler werden könnte. Ein im Raum Heilbronn ansässiger Comic-Zeichner so Lenz' Idee, soll deshalb eingeladen werden, um gemeinsam mit den Jugendlichen im Neubaugebiet eigene Vorstellungen über das künftige Aussehen des Modellprojekts zu entwickeln.
,,Workshop" nennt sich das dann - statt Heranwachsende verfolgen zu müssen, die sich im Dunkel der Nacht mit Farbeimer und Spraydosen am hoffnungsfrohen Nahverkehrsvorhaben zu schaffen machen könnten. Jetzt kann auch der Bauboom an der Defregger~Allee und der Spitzwegstraße weitergehen: Ein ,,Platz an der Sonne" mit moderner Architektur, Wohnblöcken in zielsicherem Bauhausstil, aber auch genügend Platz für Einfamilienhäuser in individuellem Stil.
Vielleicht ist es ja auch kein Zufall, dass Eberhard Gienger, der Weltmeister am Reck, ausgerechnet aus der Kocherstadt stammt. Der hat bislang noch immer den Aufschwung geschafft, ohne Schiffbruch zu erleiden.
Bergwärts ohne Naserümpfen
Das ,,Funiculaire" braucht weder Strom noch Benzin
Mitten im eidgenössischen Fribourg, genau dort, wo der sogenannte ,,Röschti-Graben" die Deutsch-Schweiz vom französischsprachigen Teil des Alpenlandes trennt, verkehrt seit nun bald einhundert Jahren das ,,Funiculaire".
Generationen von Fahrgästen haben es seit dem Jahr 1900, als der Betrieb aufgenommen wurde, ohne Naserümpfen benutzt. Tagsüber fährt die Kabine sogar im Fünfminutentakt. Wie das berühmte ,,Cable Car" von einem Stahlseil in seiner Spur gezogen, stellt das historische Vehikel - was den Spritverbrauch betrifft - allerdings so etwas wie die ultimative Sparformel unter den öffentlichen Verkehrsmitteln dar.
Die im Volksmund liebevoll ,,Funi" getaufte Bahn, die die beiden auf unterschiedlichen Höhenstufen gelegenen Stadtteile Neuveville und St.Pierre miteinander verbindet, fährt schlicht und einfach mit dem, was in der Oberstadt durch die Kanalisation rauscht - und gehorcht doch nur den Gesetzen der Schwerkraft. Die Wagen, seinerzeit vom Begründer der Brauerei ,,Cardinal" eingerichtet und demgemäß auch gleich mit Kapazitäten für den Transport von Bieffässern ausgestattet, führen einen Behälter mit sich, der mit rund drei Kubikmetern Ballast ,,betankt" werden kann.
Über einen Schlauch wird er an der Bergstation gefüllt, um die Kabine nach dem Lockern der Bremse allein aufgrund ihres Gewichts in die Tiefe zu ziehen. Gleichzeitig wird über ein Stahlseil der zweite Wagen in die Höhe gezogen, der auf der Talseite gewartet hat. Wenn beide Gondeln ihre Plätze getauscht haben, und unten der ,,Stöpsel" gezogen wird, kann das Spiel von neuem beginnen.
Dass sie hier über ein in dieser Sparsamkeit vermutlich auf der ganzen Welt einzigartiges Verkehrsmittel verfügen (woanders werden derartige Systeme allenfalls mit Frischwasser betrieben)fiel den Fribourgern erst auf, als unlängst auf der bergseitig gelegenen Station die Achse der Umlenkrolle brach. Jetzt wurde die Bahn erst einmal generalüberholt.
Das Geruchsproblem, das vor allem im Sommer für eine besondere ,,Aura" in der Fribourger Innenstadt sorgt, spielt dabei eine geringere Rolle. Professor Gabor Oplatka Experte für Seilbahntechnik an der ETH in Zürich: ,,Dass es stinkt, interessiert uns unter sicherheitstechnischen Aspekten eigentlich weniger. K.K.
Quelle: Der Sonntag, Menschen und Zeiten 23./24.Oktober 1999