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Hausgeschichte Brodhausgasse 1, Quelle: Magdalena Schick, 09.03.1998
Das Haus Brodhausgasse 1 entsteht in seiner heutigen Form im Jahre 1453 mit Bauteilen des Vorgängerhauses aus dem Jahre 1312.
Dieses Wissen verdanken wir allein den archäologischen -vor allem den dendrochronologischen- Untersuchungen in den Jahren 1985 und den daraus gewonnenen Erkenntnissen.
Die das Haus betreffenden Quellenfunde sind für die Zeit vor dem 30-jährigen Krieg gelinde gesagt spärlich, da das Anwesen, wie im übrigen auch Pfahlstraße 18, zu keiner archivalisch erfaßbaren Zeit weder irgendeinem Grundherrn lehenspflichtig noch mit einem Ewigzins belastet war.
Eine einigermaßen sichere 'Identifikation' ist für das 15.und 16.Jahrhundert nur aus Urkunden über Nachbarbauten möglich, und das auch nur, wenn wir unter der Bezeichnung "Paradeis' mit Sicherheit vor allem die Häuser Brodhausgasse 1 und Pfahlstraße 18 einordnen können.
Geben wir einmal von dieser Annahme aus, so finden wir in einer Urkunde von 1455 April 22, in der eine Ewiggeldvergabe aus einem Haus am Hafenmarkt protokolliert wird, folgende Aussage: '...rürt ain seyten an Jakob Schuchsters behausung zu der andern gegen dem paradeiß ist es ein eckhaus...'
Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser Arbeit auf die Lage des Hafenmarktes einzugehen. Sicher ist jedoch, daß sich vor dem Neubau der Stadtpfarrkirche, beginnend im Jahre 1472, unterhalb des romanischen Baus in Richtung Pfallergassen mindestens vier bürgerliche Behausungen befanden, die dem gotischen Neubau zum Opfer fielen. Der nächste, wesentlich aussagekräftigere Hinweis auf Haus Pfahlstraße 18 ist in einer Urkunde von 1472 August 25 enthalten.
In dem Dokument, das sehr genaue Angaben über den Abbruch der alten Stadtpfarrkirche, Maße und Ausdehnung sowie Finanzierung des Neubaus enthält, ist u.a. zu lesen: ,,... und gegen dem marckt unterhalben desselben portigals würt dye kirchmaur mit einem eck eingezogen und hinab gien das sye unten mit dem eck an Herman Mulners hawseck, genannt das paradeiß, rüren wurt...' Warum ich eine Urkunde, die ganz eindeutig Pfahlstraße 18 betrifft, hier als Teil der Hausgeschichte Brodhausgasse 1 anführe, wird mit der Erwähnung des nächsten 'Indiz' sofort einsichtig.
In der Brunnenordnung von 1514, niedergeschrieben in den 'Ratsacta', einer Stadtchronik von 1505-1538, wird als einer der Benützer des 'Prun vor der pfarr' Sebold Müller mit zwei Häusern ,,das paradeis' genannt. Sebold Müller war der Sohn des Tuchmachers und Inneren Rats Herman Müller. Wenn 1472 von Herman Mulners Hauseck (Pfahlstraße 18) die Rede ist und 1514 von 2 Häusern (das paradeis) seines Sohnes Sebold Müller, darf vermutet werden, daß 1472 schon beide Häuser im Besitz dieser reichen und angesehenen Tuchmacherfamilie waren.
Sebold Müller war im übrigen seit 1503 als Stadtpropst bischöflicher Beamter, damit Mitglied des Hofgesindes und kraft seines Amtes ein sehr einflußreicher Mann in Eichstätt.
Wenn er das 1453 neuerbaute Haus bewohnte, so läßt die Großzügigkeit und der Reichtum in der Gestaltung der beiden Wohngeschoße im Hause Brodhausgasse 1, die seit der Renovierung in den achtziger Jahren wieder in alter Schönheit und Pracht erstanden sind, auf einen hohen Lebensstandard der Tuchmacherfamilie Müller schließen. Aus der obengenannten Brunnenordnung ist zudem zu entnehmen, daß Sebold Müller außer den beiden Häusern im Paradeis noch zwei andere in der Innenstadt sein eigen nannte.
Eigentümer im 17., 18. und 19. Jahrhundert
Mehr als 160 Jahre haben wir keine Kunde aus Archivalien mehr von dem Anwesen Brodhausgasse 1. Den großen Krieg von 1618 -1648 hat es wie seine beiden Nachbarn ohne nennenswerten Schaden überstanden.
Im Steuerbuch der Stadt Eichstätt von 1670 ist unter Paradeis vermerkt: H. Georg Götzens Wittib: 15 Gulden
Kein Hinweis deutet auf zwei Eigentümer hin. Aber schon im Salbuch von 1696 ist das Haus in einen Ober- und Unterstock geteilt.
Das obere Stockwerk gehörte einem Glaser Reichardt Abele. Georg Götz, der verstorbene Ehemann der Besitzerin von 1670 war ebenfalls Glaser. Außerdem, wir erinnern uns, der Hofbalbierer Georg Reiser, Besitzer von Marktplatz 9, heiratet 1653 Anna Maria Götz, die Tochter des Bürgers und Glasers Georg Götz. Es bestehen offensichtlich enge Beziehungen zwischen den benachbarten Häusern!
Zu Beginn des 18. Jahrhünderts noch muß das obere Stockwerk an den Tuchmacher und Äußeren Rat Johann Wimpelberger übergegangen sein, denn sein Name ist im Salbuch von 1696 von anderer Hand nachträglich eingetragen.
Das untere Stockwerk von Brodhausgasse 1 gehört nachprüfbar in dem Zeitraum von 1696 bis 1726 einem Bartholome Tausman, Bürger, Schneider und Handelsmann.
Wann der nächste uns bekannte Eigentümer, nämlich Thadäus Köppel, ein Kramer und Mitglied des Äußeren Rats, von Tausmann gekauft hat, geht aus den vorhandenen Kaufprotokollen nicht hervor.
Wir wissen aber aus einem Kaufbrief vom 13.3.1776, in dem die Erben des offenbar mit Schulden überhäuften Eigentümers des Tuchmachers Thomas Trum die in dem ,,sogenannten Paradeys situierte obere Behausung' an die Tuchmacherseheleute Georg und Katharina Reiner verkaufen, daß zu dieser Zeit Köppel das Unterhaus gehört.
In dieser Kaufurkunde sind folgende interessante Abmachungen über gemeinsam zu nützende Hausteile niedergelegt:
Beide Eigentümer müssen , ... beide oberen Böden ruhiglich miteinander besitzen und nützen, der große Keller Georg Reiner, der kleinere T. Köppel zugehörig sein. Böden, Tachwerkh, Privet (Abtritt) und Waschhäuslein sollen gemeinsam genützt und päulich erhalten werden'.
Der Kaufpreis für die obere Wohnung beträgt 550 G und ist bis 1.Mai 1776 zu erlegen.
,,Die Trumbische Wittib bekommt lebenslängliche unentgeltliche Herberg in dem hintern Stübl oderjährlich laut Heiratsbrief acht Gulden Entschädigung.'
In den Besitzfassionen von 1809 ist Xavier Mederle, bgl. Handeismarnn, beym Köppel genannt, als Eigentümer des Unterhauses verzeichnet. Dazu ist vermerkt: Ein halbes Haus auf dem Marktplatz dahier, am 27. Nov. 1793 von den Cajetan Wopfnerschen Erben um 1120 Gulden erkauft. Das Oberhaus besitzt 1809 immer noch der Tuchmacher Georg Reiner.
Die Eintragung im Urkataster von 1839 lautet wie folgt: Schmidswitwe Magdalena Kerkel
HsNr Lit 140 B Pl. Nr 161 (02dez = etwa 60qm)
Haus mit realer Handelsgerechtsame
Halbes Wohnhaus, welches den Laden und die Wohnung zu ebener Erde und die Wohnung über eine Stiege enthält, ferner gemeinschaftlicher Keller und Boden mit Theres Reiner HsNr Lit 142 B.
Am 18. Dez 1827 durch den verstorbenen Ehemann aus der Xaver Mederlischen Gant um 1600 G ersteigert und auf die Witwe übergegangen.
Nebenbemerkung:
Adam Kergl, der verstorbene Ehemann der Magdalena Kergl, war zu Beginn des 19. Jh. Spitalschmied auf dem ehemaligen Schmiedanwesen Bahnhofplatz 7.
>Fortsetzung Urkataster 1839
Schneidermeisterswitwe Theres Reiner
HsNr. Lit 142B PI.Nr. 161 (02 dez= etwa 60 qm)
Haus auf welchem dermal eine reale Schneidergerechtsame ausgeübt wird. Halbes Wohnhaus, nämlich die Wohnung über 2 Stiegen. Gemeinschaftlicher Keller und gemeinschaftlicher Laden mit Magdalena Kerkel.
Am 3. März 1818 das Haus von Josef Reiner um 650 Gulden, die Schneidergerechtsame am 30. Oktober 1794 von Maria Anna Dirnhofer um 300 G erkauft.
Ab 1845 sind beide Hausteile in der Hand des Handelsmannes Johann Mathias Meier, dem zu diesem Zeitpunkt auch schon das Nachbaranwesen Pfahlstraße 18 gehört.
Eigentümer von 1863 bis 1881 ist das Ehepaar Matulka. Ihr Ladenschild wurde bei den Renovierungsarbeiten in achtziger Jahren von Josef Deß gefunden und aufbewahrt.
1882 erwarben das Anwesen Franz und Katharina Gruber, deren Sohn Friedrich 1883 in diesem Haus geboren wurde und bis 1930 in Ingolstadt als Bürgermeister wirkte.
Von 1935 bis 1983 war Brodhausgasse 1 Eigentum des Ehepaares Karl und Mathilde Graf.
1983 kaufte Josef Deß von deren Erben das Haus und renovierte es in vorbildlicher Weise.

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