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Baugeschichte Marktplatz 9
Quelle: Magdalena Schick

Das Anwesen Marktplatz 9, 1313 vermutlich als Haus eines Kaufmanns in Fachwerk errichtet, zeigt auch heute noch mit Keller, Erd- und Obergeschoß und steilem Satteldach die gleichen baulichen Proportionen wir zu Entstehungszeit. Darüberhinaus bewahrte das Haus mit Kelleranlage, Fachwerkwänden und Dachgerüst auch wichtige Teile seiner originalen Baustruktur.
Der in Bruchsteinen errichtete Keller besaß seinen ursprünglichen Zugang am zum Marktplatz ausgerichteten Ostgiebel. Mit Eingangsbogen, Kellerhals und Türgewände hat sich dort an der Nordostecke die alte Kellerzugangssituation erhalten. Das Tonnengewölbe der 3 Kellerräume gehört nicht zum Originalbestand des Hauses. Vielmehr besaß die zuerst nur längsgeteilte Kelleranlage eine wesentlich tiefer liegende Holzbalkendecke, die vermutlich schon um 1400 durch die nachträglich im Schalengußverfahren eingezogenen Kellertonnen ersetzt wurde.
Im Untergeschoß, im Bereich der Südwestecke, fand von Anfang an auch die Fäkaliengrube ihren Platz. In sie einbezogen war ein älterer, spätestens beim Bau des Hauses zum Teil zerstörter Brunnen (Entstehungszeit um 1200) aus dem durch eine archäologische Grabung eine entwicklungsgeschichtlich interessante Abfolge von Keramik- und Glasgefäßen der Zeit von 1200 bis 1850 geborgen werden konnten.
Über der Kelleranlage erhebt sich nun, angelehnt an der mit dem Nachbarhaus Brodhausgasse 1 gemeinsamen Brandwand ein zweigeschoßiges eichenes Fachwerkgerüst. Während Süd- und Ostwand des Erdgeschoßes von hohen im Kopfbereich verstrebten Eichensäulen, ausgefacht mit Lehmflechtwerk, gebildet wurden, war die Nordtraufe von Anbeginn an, wie heute das gesamte Erdgeschoß, in Bruchsteinen gemauert. Im Spätmittelalter diente das Ergeschoß wohl gänzlich dem Handel und Gewerbe. Der Wohnbereich lag im Obergeschoß.
Den Raumabschluß zum 1. Obergeschoß bildet eine heute noch vorhandene eichene Längsdeckenbalkenlage, die das ursprünglich zum Marktplatz vorkragende Obergeschoß trägt. Diese Vorkragung ist nicht mehr sichtbar, da die Erdgeschoßgiebelwand spätestens im 16. Jahrhundert vorgezogen wurde. Besonders bemerkenswert, weil kaum mehr in solch einer Geschlossenheit erhalten, sind die auf der Deckenbalkenlage befestigten Eichenbohlen. Diese Spaltbohlen weisen noch in die Zeit zurück, als Bretter noch ohne Säge nur durch Spalten von Baumstämmen hergestellt wurden; deswegen auch die relativ große Unebenheit ihrer Oberfläche.
Das von einem Querflur erschlossene Obergeschoß besitzt zum Marktplatz hin zwei Stuben, diesen gegenüber liegen die beiden Schlafkammern. Eine Raumeinteilung die sich auch gut an der Ständerstellung des wieder sichtbar gemachten originalen Fachwerks der Nordtraufe (Rathausseite) ablesen läßt. Entsprechend dem Befund am Fachwerkgerüst bestanden alle Außen- und Innenwände des Obergeschoßes aus rund 12 cm dicken, liegenden Holzbohlen. Eindeutige Aussagen über die ursprüngliche Tür- und Fensterform sind nicht mehr möglich.
Im Gegensatz zur Längsbalkenanlage des Erdgeschoßes zeigt das 1. Obergeschoß eine Querdeckenbalkenanlage. Darauf erhebt sich das in weiten Teilen noch vorhandene originale Sparren-Kehlbalkendach, das urprünglich ohne zusätzliche Unterstützung mittels Stahlkonstruktion errichtet war. Es ist die gleiche binderlose Dachkonstruktion wie sie die ältesten bekannten Dachwerke romanischer Kirchen zeigen. Eine weitere Besonderheit gerade für Eichstätt ist die Verwendung des Steildaches.
Kannte doch die Dachlandschaft Eichstätts mit Ausnahme weniger Amtsgebäude und kirchlicher Bauten (u.a. Rathaus, Kornkasten) bis vor wenigen Jahrzehnten eigentlich nur das flachgeneigte Legschieferdach. Mit diesem Dach gelingt für Eichstätt der wichtige Beweis, daß im örtlichen Baugeschehen der Zeit um 1300 noch beide Dachformen, das steile und flachgeneigte Satteldach ihre Anwendung fand, da nachweislich zu dieser Zeit auch schon das Kalkplattendach gebräuchlich war.
Abschließend noch ein Wort zu baugeschichtlichen Bedeutung des Hauses. Nach heutigem Kenntnisstand kann das Anwesen Marktplatz 9 von seinem Originalbestand her als das besterhaltenste älteste Fachwerkhaus Bayerns gelten.

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